
Mutter Ey – eine Frau, die sah, was andere übersahen
Düsseldorf, Anfang des 20. Jahrhunderts: Eine Stadt im Wandel, eine Gesellschaft zwischen Kaiserzeit und Republik, eine Kunstszene im Aufbruch. In dieser Zeit tritt eine Frau auf den Plan, deren Name bis heute untrennbar mit der kulturellen Identität der Stadt verbunden ist – Johanna Ey.
Geboren 1864 in Wickrath bei Mönchengladbach und aus einfachen Verhältnissen stammend, führte ihr Lebensweg sie nach Düsseldorf, wo sie zunächst eine kleine Bäckerei betrieb. Doch aus dem Ladenlokal wurde bald ein Treffpunkt für junge, aufstrebende Künstlerinnen und Künstler – vor allem für jene, die an der Kunstakademie studierten, aber mit ihren progressiven Ideen auf Ablehnung stießen. Was sie in der akademischen Welt nicht fanden, fanden sie bei „Mutter Ey“: Wärme, Verständnis, Vertrauen und ein offenes Ohr.
Von der Bäckerei zur Galerie – Kunst als Lebensaufgabe
1910 eröffnete Johanna Ey eine Kunsthandlung und später eine Galerie. Damit wagte sie einen für eine Frau ihrer Herkunft außergewöhnlichen Schritt – unternehmerisch, mutig und visionär. Ihre Galerie wurde bald zur Keimzelle des „Jungen Rheinlands“, einer Bewegung expressionistischer Künstler, die mit neuen Formen und kritischen Inhalten auf sich aufmerksam machten.
Doch Johanna Ey war mehr als eine Galeristin. Sie war Förderin, Mentorin und manchmal sogar Ersatzmutter. Wenn Künstler hungerten, kochte sie Suppe. Wenn sie Schulden hatten, borgte sie ihnen Geld. Und wenn sie Anerkennung suchten, gab sie ihnen eine Bühne. Ihr Engagement war stets geprägt von echter Wertschätzung für künstlerische Arbeit, aber auch von einem tiefen Bewusstsein für wirtschaftliche Realitäten. Sie verkaufte Bilder, machte Sammler neugierig, warb Mäzene – und hielt das fragile System der freien Kunstproduktion am Laufen.
Kunst trifft Wirtschaft – mit Herz und Strategie
Was Johanna Ey so besonders machte, war ihre Fähigkeit, Kunst und Wirtschaft nicht als Gegensätze, sondern als notwendige Partner zu verstehen. Sie erkannte früh, dass künstlerische Exzellenz strukturelle Unterstützung braucht – nicht nur durch Ruhm, sondern durch Brot. Indem sie Werke junger Künstler konsequent ausstellte und verkaufte, schuf sie eine neue Verbindung: Zwischen Idealismus und Kommerz, zwischen Atelier und Geschäftsleben, zwischen Boheme und Bürgertum.
Diese Haltung war in ihrer Zeit revolutionär. Viele ihrer Künstler – etwa Otto Dix oder Max Ernst – wären ohne sie nicht in den Kanon der Moderne eingegangen. Doch es war nicht nur ihr Gespür für Talente, das sie auszeichnete. Es war auch ihre Menschlichkeit, ihre Beharrlichkeit und ihr unerschütterlicher Glaube an die Bedeutung der Kunst für die Gesellschaft.
Erbe einer Unbeirrbaren
Mit dem Erstarken des Nationalsozialismus wurde ihre Galerie 1934 geschlossen, die meisten ihrer Künstler als „entartet“ diffamiert. Johanna Ey starb 1947, verarmt, aber unvergessen. Heute ist sie eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der Düsseldorfer Stadtgeschichte – nicht nur wegen ihres Engagements für die Kunst, sondern weil sie vorgelebt hat, was entstehen kann, wenn man Mut, Kultur und Verantwortung miteinander verbindet.
Die Tischgemeinschaft „Mutter Ey“ ehrt diese außergewöhnliche Frau, indem sie an ihre Werte erinnert: Gemeinschaft, Kreativität, Standhaftigkeit – und den festen Willen, das Verbindende zu suchen, wo andere das Trennende betonen.
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Wir sind Teil der Düsseldorfer Jonges und widmen uns dem kulturellen Erbe und der lebendigen Gegenwart unserer Stadt. Benannt nach Johanna „Mutter“ Ey, fördern wir junge Künstlerinnen und Künstler, pflegen Erinnerungsorte und gestalten Düsseldorf als Kunststadt aktiv mit. Immer dienstags – immer offen für neue Gesichter.
